Tag 20
Überwacht zu werden ist ein eigenartiges Gefühl. Dauernd gibt es neue Normen nach denen man sich richten muss, um in erster Linie natürlich seine Mitmenschen nicht zu gefährden, dann aber auch, um die Staatsgewalt nicht zu verärgern. Verkehrspolizei, Carabinieri und mittlerweile sogar das Militär wachen darüber, dass die Bürger ihr Haus nur aus den allernötigsten Gründen (Einkauf, Gesundheit, Beruf…) verlassen.
Und jetzt beginnt das mit den Regeln schwammig zu werden. Alle paar Tage gibt es ein neues Dekret mit dazugehöriger schriftlicher Eigenerklärung, die jede Zivilperson mit sich führen muss, um schwarz auf weiß zu dokumentieren, warum sie die anscheinend virussicheren eigenen Wände verlassen hat.
Einen Spaziergang darf man beispielsweise nur in unmittelbarer (unweiter) Umgebung des eigenen Domizils unternehmen. Was heißt unmittelbar? Wie weit ist unweit? Ist nicht weit bewegungstechnisch weit genug, um Durchblutungsstörungen, Probleme mit dem Stoffwechsel oder Thrombosen hervorgerufen durch dauerhafte Fernseh-Sessions zu verhindern? Medizinisch nicht ganz irrelevante Fragen. Manche Gemeinden beziffern die Entfernungen, die der bewegungssüchtige Bürger zurücklegen darf (200m, 500 m usw.), andere bleiben diesbezüglich sehr oberflächlich. Ganz genau weiß man noch immer nicht, was man jetzt ganz genau darf und was nicht. Über uns allen schwebt aber das Damoklesschwert der unerlaubten Bewegung. Nachdem die Strafen für alle Zuwiderhandelnden doch recht saftig ausfallen (400-3000 €) überlege ich, mir nun mir einen Camouflage-Dress zuzulegen, um mich im Falle des Aufeinandertreffens mit den Ordnungshütern sofort in die Büsche schlagen zu können. Einen Tarn-Hut mit Zweigen und Laub bestückt habe ich bereits gebastelt. Und ohne Messband gehe ich prinzipiell nicht mehr außer Haus. Not macht bekanntermaßen ja erfinderisch!