Wie ein Inder zum Japaner wird oder Globalisierung auf asiatisch
Ich finde Japan toll! Der Lifestyle der Menschen aus Nippon ist geradlinig und cool, gewohnt wird ohne großen Schnick-Schnack, einfach aber elegant. Und dann erst die Höflichkeit und die vornehme Zurückhaltung im Umgang miteinander.
Wow!
Besonders aber liebe ich das Essen… Ich komme nur schwer an einem japanischen Restaurant vorbei ohne einzukehren. Sushi und Sashimi, Nigiri, Miso-Suppe, Shabu-Shabu und Tempura. Die Zubereitung der Speisen mit nur dem Nötigsten auf dem Teller und das auch noch geometrisch angeordnet entspricht genau meiner Vorstellung von gastronomischer Ästhetik.
Was will man mehr?
Mir fiele da schon was ein, besonders für Sushi-Lokale in unseren Breitengraden… Wie wäre es mal mit einer adäquaten Bedienung? Japan und Europa liegen nämlich auch in puncto Dienstleistung tausende von Kilometern auseinander.
Bei meinem jüngsten Besuch in einem Sushi-Tempel in Innsbruck bekam ich ungewollten Anschauungsunterricht zum Thema ,,Globalisierung und ihre Auswirkung auf die Arbeitswelt”.
Was theoretisch wie der Titel einer Doktorarbeit an der Universität klingt, war in Wirklichkeit nur ein simples Mittagessen.
Also dann lassen Sie mich erzählen:
Die junge Kellnerin, die ihrem Äußeren zufolge dem indischen Kulturraum zuzuordnen war, war von angenehmen Wuchs und lässig gekleidet. In Zeitlupe näherte sie sich dem Tisch, an dem ich mit Frau und Tochter Platz genommen hatte. Dem Gebrauch der deutschen Sprache zufolge schien sie schon länger in Österreich beheimatet zu sein. Ein kurzer Gruß und dann - den Blick in die Ferne (Süd-Osten???) gerichtet (Heimweh???) - händigte sie uns auch schon die Speisekarten aus. Ihr Bewegungsablauf ließ vermuten, dass sie an diesem wunderbaren Sommertag stark unter der Hitze litt. Außerdem - und das weckte sofort mein Mitleid - schien sie unter einem starken Juckreiz im Gesicht zu leiden. Offensichtlich lief der Schweiß dort in verschiedene unnatürliche Öffnungen, welche zahlreichen Piercings geschuldet waren. Mit einer blitzschnellen schlangenartigen Zungenbewegung vermochte das Fräulein aber des Schweißes Herr (Frau…) zu werden, bevor er in unser am Tisch stehendes Mineralwasser tropfte. Eine ausgedehnte Handbewegung über das feuchte Gesicht tat ein Übriges dazu den Juckreiz einzudämmen.
Gar nicht japanisch höflich sondern bereits europäisch gelangweilt nahm sie unsere Bestellungen auf. Selbige wurden vom Gastgarten flugs an die Küche weitergeleitet. In der Zwischenzeit gönnte sich unsere indische Japanerin eine kleine Pause, indem sie es sich mit ausgestreckten Beinen auf dem Stuhl am Nachbarstisch bequem machte und die Nordtiroler Sonne genoss.
Ich war begeistert!
Soviel Völkerkunde auf einem Mal hatte ich nicht erwarten dürfen.
Und das zu kleinem Preis! Phantastisch!
Als das Essen kam, war ich schon so multikulturell gesättigt, dass mein Bento-Menü (Miso-Suppe, Sashimi und Sushi) zur Nebensache wurde.
Nur meine besorgte Ehefrau konnte meinem aberwitzigen Versuch verhindern, die junge Dame für den Service in unserem Hotel gewinnen zu wollen.
Trotzdem: Ich liebe japanische Küche!
Und (etwas weniger) indische Kellnerinnen!