Über Pedal-Ritter, Selbstmörder und Fahrrad-Helden
,,Ich weiß nicht warum ich euch so hasse, Fahrradfahrer dieser Stadt”, sang die deutsche Indie-Band Tocotronic in ihrem Song ,,Freiburg” im fernen Jahr 1995.
Das Lied der von mir sehr geschätzten Band ging mir kürzlich durch den Kopf als ich, auf der Schnellstraße zwischen Meran und Bozen plötzlich einen eifrig in die Pedale tretenden Rennfahrer vor mir auftauchen sah, während ich mit 120 km/h gen Süden düste.
Nur war ich geneigt, während ich in letzter Sekunde dem Geistesgestörten auf zwei Rädern auswich, das ,,nicht” in der Textzeile durch ein ,,genau” zu ersetzen.
Der Mann war auf einer Autobahn unterwegs!
Zu Trainingszwecken? In Selbstmord-Absicht? In geistiger Umnachtung?
Gedopt auf der Suche nach der ultimativen Herausforderung?
Man weiß es nicht.
Tatsache ist, dass unabhängig vom Geschehen auf der MEBO zwischen mir und den Pedal-Rittern so eine Art Hassliebe besteht.
Warum das denn?
Weil es so viele und so unterschiedliche Exemplare gibt, die von mir jeder für sich anders bewertet werden.
Also dann wollen wir mal einen Blick auf die verschiedenen Asphalt-Helden werfen:
SIE haben meinen Respekt:
1) Drahtige Leistungssportler in eng anliegender Bekleidung erklimmen die höchsten Alpenpässe ohne aus dem Sattel zu gehen, mit zielgerichtetem Blick nach vorne. Wegen der Hitze und dem Verkehr auf den Straßen gerne im Morgengrauen unterwegs. Vorbildlich und oft auch nett anzusehen (aufgrund der ausgeprägten Muskulatur, weniger wegen der scheußlichen Trikots)!
2) Amateursportler treten gemütlich auf vorgesehenen Radwegen in die Pedale. Mama, Papa und die lieben Kinderlein. Super! Viel Spaß!
SIE gehen mir auf die Nerven:
1 ) Möchtegern - Jan Ulrichs, oft übergewichtig (zu Lüftungszwecken vorzugsweise mit weit offenem Trikot aus denen ihr Bauch hervorquillt. Entsetzlich!) die sich in Schlangenlinien die Berge hinaufquälen, welche wiederum weit außerhalb ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit liegen. Auch ästhetisch eine Beleidigung. Mein Tipp: Daheimbleiben und Tour de France im Fernsehen schauen (das macht Jan Ulrich übrigens schon lange)!
2) Tagesausflügler (oft mit der gesamten Verwandtschaft im Schlepptau: ,,Schau mal Tante, schau mal Heinz-Dieter da drüben sind Kühe!”) treten auf Landesstraßen in die Pedale, halten den Verkehr auf und japsen ob der Abgase die sie schlucken müssen nach Luft. Lästig! Unnötig!
PS: Nachdem ich am Tag darauf keine Todesanzeige in der lokalen Presse gefunden habe, gehe ich davon aus, dass der Autobahn-Depp seinen Ausflug überlebt hat.
Im Anschluss an das Schockerlebnis hörte ich im Auto:
Miles Mosley: ,,Uprising”
Go Home Production: ,,Bean sprouts, noodles& half-baked Doodles”
Und natürlich:
Tocotronic: ,,Digital ist besser”