Leiser Schock statt neuem Schick: Die Gartners auf Adriatrip
Ende der 60er-Anfang der 70er Jahre war der sommerliche Besuch an der Adriaküste ein Klassiker des gepflegten Familienurlaubs.
Am ,,Teutonen-Grill“ in Caorle, Rimini, Riccione oder Bibione reihte sich ein Liegestuhl an den anderen. Als Kleinkind lief man Gefahr im Trubel der vielen Rothäute verloren zu gehen und erst Ende im September mit Saisonende wieder gefunden zu werden. Um dies zu vermeiden trug man- kein Scherz - ein Halskettchen mit Namen, um von den Strandwärtern identifiziert und via Lautsprecher an die Eltern zurückvermittelt zu werden.
Vergangene Woche war ich nun nach Jahrzehnten der Abstinenz wieder auf Besuch in meiner kindlichen Vergangenheit. Das Wetter war schön, der große Reisestrom war zwei Wochen vor Ostern noch nicht zu erwarten und ich wollte meinen Kindern mal zeigen wie das früher so war.
In Jesolo!
Na ja…was soll ich sagen.
Ich wende mich jetzt mal bewusst an meine männlichen Leser: Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie nach vielen Jahren ihrer Exfreundin wieder begegnen, deren aufregende Kurven und langen Beine in Minikleidern und Stöckelschuhen Sie vor langer, langer Zeit um den Verstand brachten. Heute trägt sie Strickkleider und Stützstrümpfe und aufregend an ihr ist bestenfalls noch ihre Witwenrente.
So oder so ähnlich ging es mir mit meinem Adriatrip.
Meine Kinder-und nicht nur sie- taten sich relativ schwer den Bauten aus einer Zeit, als Adriano Celentano noch schulterlanges Haar trug, Charme abzugewinnen.
Aus Liebe zu den Eltern wurde aber Interesse geheuchelt: Wie war das damals, als die Eisverkäufer mit ihren Umhängetaschen und ihrem legendären Ruf COOOOCO, COOOCO BELLO die ,,spiaggia’’ bevölkerten, wie war das, als man mit dem Tretboot oder den Tandem-Fahrrädern zum Familien-Sportprogramm startete?
Die Antwort lautet: Schön war’s, aber die Welt hat sich inzwischen weiterbewegt. Nur an der Adriaküste scheint die Zeit- leider nicht unbedingt zu deren Vorteil- stehengeblieben zu sein.
Unser Wochenende war trotzdem wunderbar: Die Qualität der Fischlokale ist weiter ungebrochen hoch, die Strandspaziergänge entlang der noch unbevölkerten ,,Gina Lollobrigida“-Promenade (die, unglaublich aber wahr wirklich so heißt und ja, Gina Lollobrigida lebt noch, ich habe es gegoogelt…) waren äußerst entspannend.
Also dann, warum nicht mal in nostalgischen Erinnerungen schwelgen: Mit der alten Freundin kann man schließlich auch ab und zu mal auf einen Kaffee gehen.
Der Soundtrack zum Familienwochenende:
Susanne Blech: ,,Welt verhindern“
AnnenMayKantereit: ,,Alles nix Konkretes“
Elektro Guzzi: ,,Observatory“
Damien Jurado: ,,Visions of Us on the Land“
Iggy Pop: ,,Post Pop Depression”