Wenn Stille in den Ohren klingt oder von der hohen Kunst des Schweigens
Kennen Sie das unsägliche 70er-Jahre Folk-Duo Simon & Garfunkel? Die sehr unscheinbaren und langweiligen US-Musiker waren zu ihrer Zeit Urheber einiger veritabler Songs wie beispielsweise ,,7 O'clock News/Silent Night”, ,,Mrs. Robinson” oder ,,America”. Der absolute Kracher allerdings war ihr Super-Hit ,,Sound of Silence”, der bis heute in verschiedensten Coverversionen durch die Kaufhaus-Fahrstühle weltweit dudelt.
So weit, so (nicht) gut…
Warum ich sie jetzt mit meinem Musikwissen quäle?
Eine mehrtägige Erfahrung erst letzte Woche war ausschlaggebend für die Erinnerung an den Sound meiner Jugend. Lassen Sie mich erzählen:
Als ambitionierte Eltern und Bildungs-Bürger unserer fortschrittlichen Zeit kam meiner Frau und mir - zur riesengroßen Freude unserer 13-Jährigen Tochter - die phantastische Idee in das Sommerprogramm des kleinen Pubertiers einzugreifen. Schließlich dauern die Schulferien in Italien drei Monate und diese sollten gut genützt werden. Verschiedene Fortbildungen plus ein Theater-Workshop und eine Woche Zeltlager.
Und jetzt kommen wir - spät aber doch - zum Wesentlichen: Dem einwöchigen Besuch einer italienischen Austauschstudentin bei uns in Meran.
Die Eltern der Schülerin aus der Toskana brachten uns das sympathische Wesen direkt ins Haus. ,,Fantastico”, dachte ich bei mir und fing zu reden an. Begrüßungsworte, Erklärungen, eine Unterhaltungs-Vorschau für die folgenden Tage, das ganze Programm halt. Nachdem mir als erprobten Vielredner nach einiger Zeit doch die Stimmbänder zu schmerzen begannen, warf ich einen fragenden Blick auf die nach wie vor schweigende kleine Italo-Prinzessin. Sollte das Kind gar taubstumm sein, oder, noch schlimmer, mein Italienisch unverständlich? Auch meine erprobtesten Scherze und mein legendärer Einfallsreichtum fruchteten nicht. Das von meiner Frau servierte Abendessen rettete vorläufig die Situation. Selbstverständlich schwieg das Kind auch während der ,,cena italiana”. Da konnte uns nur noch der Nachtschlaf retten.
In den folgenden Tagen zeigte sich zu meiner unbändigen Freude, dass unser Gast phantastische Umgangsformen besaß und sich zwischendurch ein hell klingendes ,,Prego”, ein wunderbares ,,Grazie” sowie sogar eine bestimmte Form der Bejahung bzw. Verneinung entlocken ließ.
Der ,,Sound of Silence” tat meinem Hotel-gestressten Ohr aber gut. Täglich empfand ich mehr Zuneigung für unseren wortkargen Besucher. Die unglaubliche Demut, die gelebte (wenn auch unausgesprochene) Dankbarkeit und das stille Ertragen einer Brandwunde, welche sich das Mädchen am Auspuff meines Motorrads zuzog sorgten dafür, dass unsere Familie das Kind bis zu dessen Abreise immer mehr ins Herz geschlossen hatte.
Wie hoch der sprachliche Lerneffekt für unsere Tochter gewesen sein mag kann ich schwer beurteilen, aber ich glaube sie weiß jetzt zumindest wie man richtig schweigt.
Auf die Art und Weise haben wir uns immerhin einen Meditations-Kurs gespart.
P.S: Musikalische Ratschläge fallen in diesem Blog aus. Ich bin zu uninspiriert. Ich glaube ich habe zu viel vom ,,Sound of Silence” gehört!