Von Macht, Rabatt und Rapmusik
Kürzlich war ich gemeinsam mit meiner Frau in einem internationalen Sport-Laden, um dort Turnschuhe für die zarten Füßchen meines edlen Weibes zu erwerben. Schon beim Betreten des Geschäftes drückten mich die wummernden Bässe des Fucking-Shit-Bitch-East-Coast-Raps an die Regale des Eingangsbereiches, in denen zahlreiche Turnschuhe äußerst angesagter Marken gestapelt waren: Reebok, Adidas, Nike, New Balance, Puma und so weiter und so fort.
Yeah Baby, sprach ich zu meiner Frau, auch sprachlich schon ganz hip (hop) amerikanisiert: Hier sind wir cool dabei!
Meine Frau antwortete mir irgendetwas, ich konnte sie aber bei der unglaublichen Lautstärke im Laden kaum hören. Aufgrund meiner ausgeprägten Kompetenz in der Kunst des Lippen-Lesens verstand ich aber schnell, dass meine bessere Hälfte mich auf die inzwischen an uns herangetretene Verkäuferin des Foot-Locker-Shops (jetzt ist das Produkt-Namens-Geheimnis gelüftet…) aufmerksam zu machen versuchte.
Das elfenhafte, kleinwüchsige und dunkelhäutige Wesen namens Patricia war mit einem überdimensional großen gestreiften T-Shirt und knielangen ebenfalls gestreiften Shorts bekleidet, trug riesige Basketballschuhe und war trotz ihrer eigenartigen Aufmachung von der ersten Sekunde an ausnehmend freundlich (von der Direktion verabreichte Glückspillen???). Sie wirkte zwar irgendwie ferngesteuert, trug aber ein phantastisches Zahnpasta-Lächeln zur Schau und informierte uns derart kompetent und feinfühlig über das gesamte Schuh-Angebot ihres Ladens, dass der Verdacht aufkam, sie habe Sport-Marketing in New York studiert und außerdem noch einen Universitäts-Abschluss in Psychologie. Während sie uns betreute bediente Patricia außerdem noch zwei weitere Kunden und kämpfte lächelnd gegen die laut und böse rappenden Gesangskünstler aus den Foot-Locker-Boxen an.
Wir waren beeindruckt!
Mit einem wunderschönen Paar Adidas -Turnschuhe (weiß-rot, designed by Stan Smith) unter dem Arm begaben wir uns glücklich zur Kasse des Ladens. Und dann die tolle Überraschung: Eine weitere unglaublich freundliche Mitarbeiterin des Foot-Locker-Universums stellte uns nach Begleichung unserer Rechnung einen Rabatt von 10 Euro beim nächsten Einkauf in Aussicht, wenn wir die Verkäuferin Patricia im Netz bewerten würden.
Wie bitte?
Diese Form der Kunden- und natürlich auch der Mitarbeiter-Motivation war mir neu! Ich war begeistert! Wow, jetzt darf ich schon Schuh-Verkäuferinnen bewerten und bekomme sogar Geld dafür. Ist das nicht schön?
,,What a wonderful world", rappte ich meiner Frau ins Ohr. Diese nickte und war natürlich vollkommen meiner Meinung.
Auf der Fahrt zurück ins Hotel Gartner freute ich mich schon darauf diese Geschäfts-Idee meinen Mitarbeitern näherbringen zu können. Öffentliche Verunglimpfung unserer Service-Mädels bei falschem Wein-Einschenken… Juhu… Sofortige Kündigung bei angebranntem Frühstücks-Speck für unsere Köche… Jippie… Dazu lässige Musik aus überdimensionalen Boxen für alle. Die Stimmung im Hotelteam dürfte eine bisher noch nie erreichte Euphorie auslösen.
Oder doch nicht?
Ich weiß nicht: Vielleicht sollte ich nochmals darüber nachdenken.
Während ich derartigen Überlegungen nachhänge beabsichtige ich (natürlich lautstark) folgende Alben zu hören:
Dinosaur Jr.: ,,Give a Glimpse of what yer not"
Preoccupations: ,,Preoccupations"
Jack White: ,, Acoustic Recordings 1998-2016"
Banks&Steelz: ,,Anything but words"