Aus der Serie ,,Große Momente der Menschheit: Wir sind Glasfaser“
Die Nachricht geisterte schon länger durch den Ort. Zunächst hinter vorgehaltener Hand, dann immer lauter und jetzt ist der Moment greifbar nah. Die Glasfaser nähert sich Dorf Tirol! Wir sehen sie quasi schon um die Ecke biegen. Und mit ihr eine superschnelle Internet-Verbindung. Vorbei die Kommunikation im Schneckentempo. Vorbei die Zeit der virtuellen Isolation!
Sei umarmt großes weites Inter-Netz, wir sind nun ein Teil von dir!
Doch halt! Bevor ich weitererzähle möchte ich kurz zurückblicken.
Der historische Moment verdient sich diese Blende.
Anfang des Jahres wurde die Bevölkerung Tirols in den örtlichen Raiffeisensaal gebeten. Solche Einladungen werden normalerweise nur ausgesprochen, wenn Ereignisse großer Tragweite bevorstehen. Zitternd vor Erregung saßen meine Frau und ich im prall gefüllten Saal, der uns trotz seiner unsäglichen Hässlichkeit wie der Tempel einer neuen, zukunftsträchtigen Wirklichkeit erschien. Der Hohepriester - der von der Kanzel predigte - war ein Vertreter des Südtiroler Stromlieferanten Alperia, der das aussprach, was sich alle erhofft hatten: ,,Wir alle werden schon bald Glasfaser sein!”
Halleluja! Gelobt sei der Herr!
Viele der Anwesenden hatten Tränen in den Augen. Das Tor zur Welt hatte sich soeben geöffnet.
Was für ein ergreifender Augenblick!
Sicher, einige Tränen waren der besorgten Vorschau geschuldet auf das was da noch kommen würde. Verwirrte Techniker, Bauarbeiter im Zeitlupen-Tempo, windige Internet-Anbieter, sie alle - das war jedem klar - sollten die kommenden Monate auf der Bildfläche erscheinen und für einige Horror-Szenarien sorgen.
Aber was war man für ein funktionierendes Internet nicht alles bereit zu ertragen. Wer einmal Hotel-Gäste erlebt hatte, die mit fünf Smartphones/Tablets in der Hand vor einem stehen und Zeter und Mordio schreien ob des schwächelnden Internet-Kontaktes, den kann nichts mehr erschüttern.
So schlimm kann kein Handwerker sein!
Vergangene Woche wurde das letzte Kabel nun in unser Hotel verlegt. Der große Moment steht direkt vor der Tür!
Stille erfüllte die Luft, während ich dankend auf die Knie sank. Ich fühlte, wie die Glasfaser durch meinen Körper drang und ich eins mit ihr wurde.
Wenn Gott online ist, werde ich ihm persönlich danken!
Voller Freude stattete ich gestern dem Plattenladen meines Vertrauens einen Besuch ab:
Diese Alben ergänzen nun meine Sammlung:
Artic Monkeys: ,,Tranquility Base Hotel & Casino”
Drangsal: ,,Zores”
The Sea and Cake: ,,Any day”
Stephen Malkmus: ,,Sparkle Hard”